15.11.2023 | 05:30
12-Jahrestief - jetzt zukaufen? Bayer, First Hydrogen, RWE Aktien
Wenn deutsche Unternehmen US-amerikanische übernehmen, dann folgt in den kommenden Jahren oft die große Ernüchterung. Nach dem Ausflug von Daimler-Chrysler machen nun seit knapp sechs Jahren die Bayer-Aktionäre ihre negativen Erfahrungen. Ob sich die vom damaligen Vorstand hochgepriesene Monsanto-Übernahme später doch noch rentiert, wie das Beispiel Deutsche Telekom zeigt, oder ein Verkauf mit signifikantem Verlust wie bei Daimler umgesetzt wird, das wird sich erst in der Zukunft zeigen. Besser dagegen sieht es in anderen Sektoren und bei ausgesuchten Werten aus. Wo lohnt jetzt der Einstieg?
Lesezeit: ca.
4 Minuten.
Autor:
Sven Ferber
ISIN:
DE000BAY0017 , CA32057N1042 , DE0007037129
RWE übertrifft Prognose
Am gestrigen Dienstag konnte der Energiekonzern RWE (WKN: 703712 | ISIN: DE0007037129 | Ticker-Symbol: RWE) seine Geschäftskennzahlen für die ersten neun Monate dieses Jahres vorlegen. Die Erwartungen der Analysten konnten übertroffen werden und das Management bestätigte das Erreichen der ausgegebenen Prognose für das Gesamtjahr 2023. In den Monaten Januar bis September 2023 erzielte die RWE ein bereinigtes EBITDA von 6,2 Mrd. EUR und somit ca. 80 % mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Da die Analysten nur mit 5,9 Mrd. EUR gerechnet hatten, fiel die Überraschung entsprechend positiv aus. Ebenfalls höher als erwartet fiel das bereinigte Nettoergebnis aus. Während die Prognose bei 3,1 Mrd. EUR lag, erzielte der Konzern 3,4 Mrd. Hauptanteil für die positiven Ergebnisse waren höhere Gewinnmargen bei der Stromerzeugung vor allem aus dem Segment Biomasse/Gas/Wasser.
Ebenfalls positiv wirkte sich bereits die zum 1. März 2023 erworbene Con Edison Clean Energy Business auf die RWE-Geschäftsergebnisse in den USA aus. Auch die Inbetriebnahme neuer Batterie-, Solar- und Windprojekte unterstützte die gute Entwicklung. Für das Gesamtjahr erwartet RWE ein bereinigtes EBITDA von 7,1 bis 7,7 Mrd. EUR und für das bereinigte Nettoergebnis soll ein Ergebnis zwischen 3,3 bis 3,8 Mrd. erreicht werden. Da die Dividende, wie im März bereits angekündigt, um 0,10 EUR auf 1,00 EUR je Aktie erhöht wird, beträgt die Dividendenrendite bei derzeitigen 37,20 EUR je Anteilsschein insgesamt 2,69 % p. a. Für die Schweizer Großbank UBS ist die Aktie nach wie vor ein „Buy“ mit einem Kursziel von 48 EUR für die nächsten 12 Monate, zumal auch die Nettoverschuldung trotz hoher Investition stabil geblieben ist.
First Hydrogen wächst weiter
Das in Vancouver und London ansässiges Unternehmen First Hydrogen (WKN: A3C40W ISIN: CA32057N1042 Ticker-Symbol: FIT) hat sich auf die Konstruktion und Herstellung von emissionsfreien Transportfahrzeugen fokussiert. Das Unternehmen will zukünftig die komplette Wertschöpfungskette im Wasserstoffsektor abdecken und ist derzeit noch hauptsächlich auf dem Markt von Großbritannien aktiv. Dort hat First Hydrogen für seine Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge bereits die Straßenzulassung, zudem testen bereits diverse Logistik- und Transportunternehmen die Nutzfahrzeuge im laufenden Betrieb. Die wichtigen Testerfahrungen aus den unterschiedlichen Branchen der Kunden fließen in die Schwachstellenanalyse sowie die Optimierung der anschließenden Massenproduktion ein.
Die Resonanz der bisherigen Testunternehmen ist durchweg positiv und reicht von überraschender Leistungsstärke, hohe Reichweite von 630 km bis hin zur schnellen Betankung der wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge. Allein die Reichweite im Segment der 3,5 Tonner überzeugt bereits. Die E-Mobilität schafft in diesem Bereich derzeit nur ca. 240 km und das Aufladen der Batterien ist durch lange Standzeiten derzeit nicht wirtschaftlich. Um die Wertschöpfungskette von First Hydrogen zu erweitern, entwickelt das Unternehmen zusammen mit der FEV Consulting GmbH einen Prototyp für ein maßgeschneidertes Betankungssystem. Auch die Wasserstoffproduktion wird bereits mit Partnern geplant, um später den Kunden ein „hydrogen-as-a-service“ System anbieten zu können.
Die Fahrzeuge von First Hydrogen werden nun auch in Deutschland immer interessanter, denn die CO2-Abgaben sollen im kommenden Jahr wieder deutlich angehoben werden und in diesem Jahr erfolgt bereits die signifikante Erhöhung der Mautgebühren für Dieselfahrzeuge. Da der weltweite Markt an leichten Nutzfahrzeugen laut Allied Market Research bis 2023 auf über 786,5 Mrd. USD ansteigen sollte, bietet das aktuell niedrige Kursniveau für langfristig orientierte Anleger einen interessanten Einstiegspreis.
Bayer mit neuem 12-Jahrestief
Seit der Übernahme von Monsanto und den damit verbundenen milliardenschweren Prozessrisiken aus den Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten, ist die Bayer Aktie (WKN: BAY001 | ISIN: DE000BAY0017 | Ticker-Symbol: BAYN) von über 100 EUR auf mittlerweile 40 EUR abgestürzt. Jede kurzfristige Erholungstendenz in den letzten fünfeinhalb Jahren nutzten die Anleger und Investoren, um aus ihrer Position auszusteigen, oder diese zumindest weiter zu reduzieren. Diese Woche hat die Aktie nun sogar ein neues 12-Jahrestief erreicht, denn der Schuh drückt nicht nur bei den Prozessrisiken. Dazu kommt nämlich der auslaufende Patentschutz bei umsatzstarken Produkten wie auch die hohen Nettoverbindlichkeiten. Diese führen bei steigenden Zinsen und anstehenden Refinanzierung zu höheren Belastungen und schlagen auf das Nettoergebnis durch.
Dennoch sieht der Analyst Gunther Zechmann vom Analyseunternehmen Bernstein noch Potenzial bei der Aktie. Dies würde sich ergeben, wenn die Managementvergütung sich noch stärker am Aktienkurs orientieren würde. Dies ist ab 2024 geplant und daher wäre aus Sicht des Managements ein niedriger Ausgangswert zum Jahresabschluss 2023 sogar verständlich. Bis dahin könnten Kostensenkungsmaßnahmen ausgearbeitet sowie Planungen zum Managementumbau vorbereitet werden. CEO Bill Anderson könnte dies bereits in der Schublade haben, aber solange diese möglichen Optionen nicht verkündet werden, wäre der Kauf der Aktie nach wie vor ein Griff ins fallende Messer.
Fazit
Während der Einstieg bei der Bayer AG derzeit nicht lohnt, sehen die Aktien von RWE und First Hydrogen besser aus. First Hydrogen setzt auf wasserstoffbetriebene Transportfahrzeuge und damit einen klaren Fokus auf einen stark wachsenden Nischenmarkt, dagegen setzt die RWE als Energiekonzern neben erneuerbaren Energien nach wie vor auf klassischen Kohle- und Gaskraftwerke und verdient damit konstant Geld.